Projekt

Natalja Gorbanewskaja war als Dichterin so groß wie Joseph Brodsky und als Menschenrechtsaktivistin so bedeutend wie Andrej Sacharow. Und doch bekam sie keinen Nobelpreis und ist im Westen unbekannt. Sie schrieb seit ihren Studienjahren antisowjetische Gedichte. 1968 gründete sie federführend das Samisdat-Periodikum "Chronik der laufenden Ereignisse", das heute als Beginn der Pressefreiheit in Russland gilt. Ebenfalls 1968 war sie eine von acht Personen, die auf dem Roten Platz unter dem Motto "Für eure und unsere Freiheit" gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings protestierten. Ziel des Publikationsprojekts ist es, Gorbanewskajas Rolle bei der Entstehung der sowjetrussischen Zivilgesellschaft herauszuarbeiten und dabei ihre Biographie als Brennglas zu nutzen, um zentrale Entwicklungen der späten sowjetischen Geschichte zu bündeln und in ein neues Licht zu rücken. Geplant ist eine Erzählung, die das Leben der nonkonformen Denkerin nicht als außenstehend, sondern als Teil der sowjetischen Lebensrealität entwirft. Dabei soll die sowjetische Niedergangs- mit der Erfolgsgeschichte der Dissidentenbewegung in einer neuen Narration vereint werden. Mit Blick auf die Unterdrückung der russischen Zivilgesellschaft heute soll ausgelotet werden, wie unter den Bedingungen eines stark repressiven Regimes eine Bürgerrechtsbewegung entstehen konnte. Gleichzeitig soll das Buch den Leser:innen auch ihre Gedichte nahebringen, die bisher nur ins Englische übersetzt sind.

• Prof. Dr. Susanne Schattenberg

  Forschungsstelle Osteuropa an der
  Universität Bremen
  Institut für Geschichtswissenschaft
  Bremen